Mein Aufenthalt in China neigt sich dem Ende zu. Was gibt es
da noch zu sagen? Auch wenn ich mich hier mittlerweile pudelwohl fühle, freue
ich mich auch schon wahnsinnig wieder auf zuhause. Warum fühle ich mich wohl
hier? Neben dem Luxus einer relativ großzügigen Wohnung und der Privatsphäre
die ich dort genieße, liegt das bestimmt mitunter daran, dass ich mittlerweile
doch etliches verstehe und mich in der Regel ohne größere Probleme verständigen
kann ohne dass der Taxifahrer mich zum Flughafen statt zum Bahnhof fährt oder
mir die Ticketverkäuferin die Fahrkarte für einen anderen Tag verkauft als
gewünscht.
Ein Jahr wie dieses und die vielseitigen Erfahrungen die ich
gemacht habe, lassen sich nicht einfach in kurze Worte fassen. Ich habe mich
hier an gewisse Gegebenheiten gewohnt, manche mag ich sehr gerne, auf andere
wiederum kann ich gut auch verzichten. Deswegen hier ein kleines Brainstorming,
was ich zurück in Deutschland vermissen werde, und was wohl eher nicht.
Das werde ich vermissen:
Das Essen. Oh
mein Gott, was soll ich nur essen, wenn ich wieder heim komme?! Was gibt es
denn in Deutschland? Ich werde mir einen chinesischen Allround-Koch-Experten
mitnehmen müssen, der mir daheim kochen kann, worauf ich an asiatischem Essen
gerade Lust habe. Ob der verzollt werden muss? Die Chinesen sind recht
zierlich, ein bisschen Platz finde ich für ihn bestimmt in meinem Gepäck…
Das Essen mit
Stäbchen und die runden Tische mit rotierender Platte in der Mitte, wo
viele Gerichte darauf warten, durchprobiert zu werden. Stäbchen sind einfach
unheimlich praktisch. Man kann sie als Messer, Gabel, Löffel, Zange, Grill- und
Bratgerät, zum Eierschlagen und zum Stricken verwenden. Welches Werkzeug kann
da an Vielseitigkeit schon mithalten?
Aus aktuellem Anlass: Rabatt
im Restaurant zu bekommen, weil die Bedienung einen als Stammgast
identifiziert hat. Na gut, als Ausländer fällt man eben auf. Und ich war da
mittlerweile tatsächlich ein paar Mal. Trotzdem, nach einem Monat Abwesenheit
wieder erkannt zu werden, und neben gutem Essen auch noch mit einem Discount
belohnt zu werden, das ist schön.
So, jetzt komm ich total verfressen rüber. Dreimal Essen an
erster Stelle. Meine Freunde und
Arbeitskollegen hier werde ich vermissen und hoffe doch den ein oder
anderen bald wieder zu sehen.
Meine großzügige
Wohnung hier mit Küche, Esszimmer, Wohnzimmer mit zwei Schlafsofas und
Heimkino (speziell präparierte Wand + geklauter… äh geliehener
Deutschclub-Beamer), Gästezimmer, Schlafzimmer mit Wintergarten und Bad mit
Sitztoilette. Den Dreck, der sich selbst nach täglichem Putzen innerhalb von
fünf Minuten wieder aus der Luft überall absetzt habe ich gelernt zu
ignorieren, und billiger kann man wohl kaum wohnen. Gerade habe ich die
Nebenkosten für ein Jahr gezahlt: ziemlich genau 100€.
Die ganzjährige
Weihnachtsbeleuchtung. „Ancient Buildings“ wie Türme, Stadtmauern, Paläste,
Tore und Pagoden sind hier stets mit Lichterketten und Strahlern ausgestattet
und erstrahlen des Nachts in besonderem Glanz – was eine wirklich bezaubernde
Atmosphäre erzeugt. Restaurants und Läden verzichten auch nicht auf diesen
Luxus, abends gibt es Lichter- und Wassershows mit Musik, was einen
Abendspaziergang durch die Innenstädte und Parks in China immer auch zu einem
romantischen Erlebnis macht. Auch Tropfsteinhöhlen werden großzügig bunt
ausgeleuchtet, was ihnen zwar auch Algenbefall beschert, aber eben auch für
eine ganz besondere Stimmung sorgt.
Die tanzenden Omis
(und Opis, und meistens auch einige wenige Vertreter aller anderen
Altersstufen. Abends um Acht wird in ganz China auf den Plätzen zu
Techno-/Schlager-/Latein-Tanzmusik getanzt, die bis zum Anschlag der tragbaren
Geräte aufgedreht sein muss, besonders wenn noch andere Tanzgruppen mit anderer
Musik da sind. Meistens gibt es einen Vortänzer, und die anderen tanzen nach
guter alter Line-Dance Manier nach. Für wen das nichts ist, der kann sich
wahlweise auch an mobilen Karaoke-Ständen vergnügen oder mit einer Peitsche auf
einen Kreisel eindreschen. Mancherorts trifft man auch auf Open-Air- Wirtshaus-
Singgruppen, die schrille und schräge Opernstücke oder Schlager zum Besten
geben. Es ist jedenfalls immer was los und man kann sich problemlos
anschließen.
Das Reisen. Ich
bin total auf den Geschmack gekommen, sobald sich irgendwo ein Loch ergibt, ein
paar Sachen in einen Rucksack zu stopfen und drauf los zu reisen. Frei,
ungebunden, spontan, planlos. Unterwegs ergibt sich schon immer etwas und man
findet auch immer Gleichgesinnte, mit
denen man sich austauschen kann und so trifft man doch etliche schräge Vögel.
Welcher Idiot geht auch schon ausgerechnet freiwillig nach China? :D
Die Ladenöffnungszeiten.
Einkaufen und Essen überall und jederzeit – naja, ob ich es direkt vermissen
werde, bleibt fraglich. Aber zumindest werde ich mich umgewöhnen müssen. Sonst stehe
ich abends um 11 vorm Edeka und frage mich warum das Licht aus ist. Und nachts
um vier haben Deutschlands Küchen wohl auch geschlossen.
Die (oft fremden und damit gaaaaanz vielen
unterschiedlichen) Leute, die mir
mit angenehmer Regelmäßigkeit erklären, wie hübsch ich doch sei, wie gut mein
Chinesisch wäre und wie sehr sie mich bewundern. Alle Zweifel über die
Glaubwürdigkeit einfach beiseiteschieben (Hübsch nach fast 50 Stunden ohne
Schlaf, nicht mehr ganz taufrisch? Beurteilung der „hervorragenden“ Chinesischkenntnisse
nach dem zigtausendfach geübten, flüssigen Satz: „Mein Chinesisch ist furchtbar
schlecht“?)… und genießen. Wer hört so etwas denn nicht gerne? ;-)
Billige Busse, Taxis,
Motorrad-Rikschas, und Züge. Öffentliche Verkehrsmittel müssen bezahlbar sein.
Eine Busfahrt quer durch die Stadt kostet hier 0,5-2 Yuan, umgerechnet also
maximal 30ct. Wohlbemerkt, die meisten Städte sind hier etwas größer als die
meisten Deutschen Städte. Ein Taxi im innerstädtischen Bereich kostet in der
Regel 6-20 Yuan, also 3 Euronen.
Ich habe überlegen müssen, wo ich das einsortiere. Die Sprache. Ja, ich glaube ich werde sie
vermissen. Insbesondere, da ich jetzt doch etliches verstehe und verknüpfen
kann und an den richtigen Stellen die richtigen Antworten geben kann. Und alle
ekligen „ba!“, „ma!“, „ne!“, „le!“, „mhm! mhm! Mhm!!“s, gefolgt von
Schleim-Ausspucken (der aus dem tiefsten Inneren des chinesischen Körpers
fachgerecht und geräuschvoll in den Rachen befördert wird) nach jedem zweiten
Satz und bei den Sätzen dazwischen Zug an der Kippe…. Na gut, letzteres
vermisse ich bestimmt nicht.
Das werde ich bestimmt nicht vermissen:
Wenn ich schon aus Versehen in die unangenehmeren oder
zumindest weniger wünschenswerten Gegebenheiten gerutscht bin, dann hier
richtig. Ich war gerade schon bei den rotzenden
und schmatzenden Chinesen (jetzt muss ich aufpassen, Schmatzen, auch ohne
Essen quasi als „Äh“-Ersatz färbt verdammt schnell ab). Kinder, die in den Bus pinkeln, auf die Straße, von Eltern über
Mülleimer und gegen Wände gehalten werden oder im Zug in Apfelsaftflaschen
urinieren (naja, immerhin besser als auf den Boden).
Den Smog.
Allgegenwärtig, undurchdringlich. Erst vor kurzem habe ich in der untergehenden
Abendsonne entdeckt, dass wir direkt neben einem Gebirge wohnen, höchstens 30km
entfernt, aber immer hinter „Nebelschwaden“ verdeckt und verborgen. Manchmal,
wenn es wirklich extrem schlimm ist, fühlt man sich wie blind, man guckt nach
vorne und sieht nur weiß-graue Flecken wo eigentlich Straße, Bäume und Gebäude
sein müssten. Aber meistens merkt man es schon gar nicht mehr, trotz der
Allgegenwart in einer so schmutzigen und staubigen Stadt wie Xi’an. Tatsache
ist, nicht lüften hält die Luft im Raum sauberer.
Gruppenpinkeln
auf engstem Raum in Löcher im Boden, streng duftender Umgebung, Augenkontakt
unvermeidbar. Wahlweise auch die nicht so netten Überraschungen wenn man an
geöffneten Klotüren (falls vorhanden) vorbeigeht. Chinesen halten es nicht so mit der
Privatsphäre und erledigen ihre Geschäfte gerne bei geöffneten Türen. Auch im Wohnheim
zu Besuch begegnet man des Öfteren halb entkleidete Chinesen (leider ein nicht
zu genießender Anblick) oder darf dem Geschehen live beiwohnen weil die Türe
auch dann unverschlossen bleibt, wenn der Chinese bei Ausländern zu Gast ist,
unabhängig davon ob Männlein oder Weiblein anwesend sind…
Die fotogeilen
Chinesen, die mit den völlig fremden Ausländern ein Selfie schießen wollen.
Um dann vor ihren Freunden zu prahlen, sie haben einen Ausländer getroffen.
Ohne mit ihm mehr als die Worte: „Kann ich ein Foto mit dir machen?“, wenn
überhaupt, gewechselt zu haben. Wer will denn schon fremde Menschen auf seinen
Urlaubsfotos haben? Und überhaupt, wer weiß wo diese Fotos landen… Etwas
anderes ist das natürlich, wenn man vorher nett ins Gespräch gekommen ist. Da bereue ich es eher regelmäßig, selbst kein Foto gemacht zu haben…
Die armen Kinder,
die von ihren Eltern zu mir geschickt werden, um ihre Englischkenntnisse zu
zeigen. Die eigentlich viel zu schüchtern sind, um einfach irgendwelche Fremde
anzuquatschen. Die unter dem Erwartungsdruck ihrer Eltern dann ein verklemmtes
„Hello, nice to meet you!“ herausquetschen. Um dann rat- und hilflos dazustehen
während die Eltern den epischen Moment für immer festhalten.
Der chaotische
Verkehr. Lebensgefahr auf Schritt und Tritt, und die Angst, dass im
Ernstfall keiner hilft. Ungesicherte Baustellen, Mauerbrocken, die wenige cm
neben dem eigenen Kopf (an einer nicht gesicherten Baustelle) vorbeisausen. Ein
Privatfahrzeug mit 80 Sachen auf völlig vereister Fahrbahn, kein Anschnallgurt.
Halsbrecherische Manöver von Taxifahrern (Wenden auf dreispuriger Straße,
Überholen, Drängeln, einfädeln… ach nein. Einfädeln gibt es hier nicht.
Reindrücken, Schneiden, Ausbremsen, ausgebremst werden.
Wenn ich schon beim Verkehr bin: Die Vergewaltigung von Fahrzeugen aller Art und deren Getriebe und
Motoren die würgend, heulend und stotternd die nicht vorhandenen Skills des
Fahrers ertragen müssen, Reifen und Stoßdämpfer (Brettern über
Bordsteinkanten, Bodenunebenheiten und Schlaglöcher), gewaltsames Abwürgen, unsanftes
dauerhaft unmittelbar aufeinanderfolgendes Benutzen von Gas- und Bremspedal, unfachgerechte Ein- und vor allem
Auspark-Manöver!
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