Donnerstag, 29. Januar 2015

Goodbye, China!

Mein Aufenthalt in China neigt sich dem Ende zu. Was gibt es da noch zu sagen? Auch wenn ich mich hier mittlerweile pudelwohl fühle, freue ich mich auch schon wahnsinnig wieder auf zuhause. Warum fühle ich mich wohl hier? Neben dem Luxus einer relativ großzügigen Wohnung und der Privatsphäre die ich dort genieße, liegt das bestimmt mitunter daran, dass ich mittlerweile doch etliches verstehe und mich in der Regel ohne größere Probleme verständigen kann ohne dass der Taxifahrer mich zum Flughafen statt zum Bahnhof fährt oder mir die Ticketverkäuferin die Fahrkarte für einen anderen Tag verkauft als gewünscht.

Ein Jahr wie dieses und die vielseitigen Erfahrungen die ich gemacht habe, lassen sich nicht einfach in kurze Worte fassen. Ich habe mich hier an gewisse Gegebenheiten gewohnt, manche mag ich sehr gerne, auf andere wiederum kann ich gut auch verzichten. Deswegen hier ein kleines Brainstorming, was ich zurück in Deutschland vermissen werde, und was wohl eher nicht.

Das werde ich vermissen:

Das Essen. Oh mein Gott, was soll ich nur essen, wenn ich wieder heim komme?! Was gibt es denn in Deutschland? Ich werde mir einen chinesischen Allround-Koch-Experten mitnehmen müssen, der mir daheim kochen kann, worauf ich an asiatischem Essen gerade Lust habe. Ob der verzollt werden muss? Die Chinesen sind recht zierlich, ein bisschen Platz finde ich für ihn bestimmt in meinem Gepäck…

Das Essen mit Stäbchen und die runden Tische mit rotierender Platte in der Mitte, wo viele Gerichte darauf warten, durchprobiert zu werden. Stäbchen sind einfach unheimlich praktisch. Man kann sie als Messer, Gabel, Löffel, Zange, Grill- und Bratgerät, zum Eierschlagen und zum Stricken verwenden. Welches Werkzeug kann da an Vielseitigkeit schon mithalten?

Aus aktuellem Anlass: Rabatt im Restaurant zu bekommen, weil die Bedienung einen als Stammgast identifiziert hat. Na gut, als Ausländer fällt man eben auf. Und ich war da mittlerweile tatsächlich ein paar Mal. Trotzdem, nach einem Monat Abwesenheit wieder erkannt zu werden, und neben gutem Essen auch noch mit einem Discount belohnt zu werden, das ist schön.

So, jetzt komm ich total verfressen rüber. Dreimal Essen an erster Stelle. Meine Freunde und Arbeitskollegen hier werde ich vermissen und hoffe doch den ein oder anderen bald wieder zu sehen.

Meine großzügige Wohnung hier mit Küche, Esszimmer, Wohnzimmer mit zwei Schlafsofas und Heimkino (speziell präparierte Wand + geklauter… äh geliehener Deutschclub-Beamer), Gästezimmer, Schlafzimmer mit Wintergarten und Bad mit Sitztoilette. Den Dreck, der sich selbst nach täglichem Putzen innerhalb von fünf Minuten wieder aus der Luft überall absetzt habe ich gelernt zu ignorieren, und billiger kann man wohl kaum wohnen. Gerade habe ich die Nebenkosten für ein Jahr gezahlt: ziemlich genau 100€.

Die ganzjährige Weihnachtsbeleuchtung. „Ancient Buildings“ wie Türme, Stadtmauern, Paläste, Tore und Pagoden sind hier stets mit Lichterketten und Strahlern ausgestattet und erstrahlen des Nachts in besonderem Glanz – was eine wirklich bezaubernde Atmosphäre erzeugt. Restaurants und Läden verzichten auch nicht auf diesen Luxus, abends gibt es Lichter- und Wassershows mit Musik, was einen Abendspaziergang durch die Innenstädte und Parks in China immer auch zu einem romantischen Erlebnis macht. Auch Tropfsteinhöhlen werden großzügig bunt ausgeleuchtet, was ihnen zwar auch Algenbefall beschert, aber eben auch für eine ganz besondere Stimmung sorgt.

Die tanzenden Omis (und Opis, und meistens auch einige wenige Vertreter aller anderen Altersstufen. Abends um Acht wird in ganz China auf den Plätzen zu Techno-/Schlager-/Latein-Tanzmusik getanzt, die bis zum Anschlag der tragbaren Geräte aufgedreht sein muss, besonders wenn noch andere Tanzgruppen mit anderer Musik da sind. Meistens gibt es einen Vortänzer, und die anderen tanzen nach guter alter Line-Dance Manier nach. Für wen das nichts ist, der kann sich wahlweise auch an mobilen Karaoke-Ständen vergnügen oder mit einer Peitsche auf einen Kreisel eindreschen. Mancherorts trifft man auch auf Open-Air- Wirtshaus- Singgruppen, die schrille und schräge Opernstücke oder Schlager zum Besten geben. Es ist jedenfalls immer was los und man kann sich problemlos anschließen.

Das Reisen. Ich bin total auf den Geschmack gekommen, sobald sich irgendwo ein Loch ergibt, ein paar Sachen in einen Rucksack zu stopfen und drauf los zu reisen. Frei, ungebunden, spontan, planlos. Unterwegs ergibt sich schon immer etwas und man findet auch immer Gleichgesinnte, mit denen man sich austauschen kann und so trifft man doch etliche schräge Vögel. Welcher Idiot geht auch schon ausgerechnet freiwillig nach China? :D

Die Ladenöffnungszeiten. Einkaufen und Essen überall und jederzeit – naja, ob ich es direkt vermissen werde, bleibt fraglich. Aber zumindest werde ich mich umgewöhnen müssen. Sonst stehe ich abends um 11 vorm Edeka und frage mich warum das Licht aus ist. Und nachts um vier haben Deutschlands Küchen wohl auch geschlossen.

Die (oft fremden und damit gaaaaanz vielen unterschiedlichen) Leute, die mir mit angenehmer Regelmäßigkeit erklären, wie hübsch ich doch sei, wie gut mein Chinesisch wäre und wie sehr sie mich bewundern. Alle Zweifel über die Glaubwürdigkeit einfach beiseiteschieben (Hübsch nach fast 50 Stunden ohne Schlaf, nicht mehr ganz taufrisch? Beurteilung der „hervorragenden“ Chinesischkenntnisse nach dem zigtausendfach geübten, flüssigen Satz: „Mein Chinesisch ist furchtbar schlecht“?)… und genießen. Wer hört so etwas denn nicht gerne? ;-)

Billige Busse, Taxis, Motorrad-Rikschas, und Züge. Öffentliche Verkehrsmittel müssen bezahlbar sein. Eine Busfahrt quer durch die Stadt kostet hier 0,5-2 Yuan, umgerechnet also maximal 30ct. Wohlbemerkt, die meisten Städte sind hier etwas größer als die meisten Deutschen Städte. Ein Taxi im innerstädtischen Bereich kostet in der Regel 6-20 Yuan, also 3 Euronen.

Ich habe überlegen müssen, wo ich das einsortiere. Die Sprache. Ja, ich glaube ich werde sie vermissen. Insbesondere, da ich jetzt doch etliches verstehe und verknüpfen kann und an den richtigen Stellen die richtigen Antworten geben kann. Und alle ekligen „ba!“, „ma!“, „ne!“, „le!“, „mhm! mhm! Mhm!!“s, gefolgt von Schleim-Ausspucken (der aus dem tiefsten Inneren des chinesischen Körpers fachgerecht und geräuschvoll in den Rachen befördert wird) nach jedem zweiten Satz und bei den Sätzen dazwischen Zug an der Kippe…. Na gut, letzteres vermisse ich bestimmt nicht.

Das werde ich bestimmt nicht vermissen:

Wenn ich schon aus Versehen in die unangenehmeren oder zumindest weniger wünschenswerten Gegebenheiten gerutscht bin, dann hier richtig. Ich war gerade schon bei den rotzenden und schmatzenden Chinesen (jetzt muss ich aufpassen, Schmatzen, auch ohne Essen quasi als „Äh“-Ersatz färbt verdammt schnell ab). Kinder, die in den Bus pinkeln, auf die Straße, von Eltern über Mülleimer und gegen Wände gehalten werden oder im Zug in Apfelsaftflaschen urinieren (naja, immerhin besser als auf den Boden).

Den Smog. Allgegenwärtig, undurchdringlich. Erst vor kurzem habe ich in der untergehenden Abendsonne entdeckt, dass wir direkt neben einem Gebirge wohnen, höchstens 30km entfernt, aber immer hinter „Nebelschwaden“ verdeckt und verborgen. Manchmal, wenn es wirklich extrem schlimm ist, fühlt man sich wie blind, man guckt nach vorne und sieht nur weiß-graue Flecken wo eigentlich Straße, Bäume und Gebäude sein müssten. Aber meistens merkt man es schon gar nicht mehr, trotz der Allgegenwart in einer so schmutzigen und staubigen Stadt wie Xi’an. Tatsache ist, nicht lüften hält die Luft im Raum sauberer.

Gruppenpinkeln auf engstem Raum in Löcher im Boden, streng duftender Umgebung, Augenkontakt unvermeidbar. Wahlweise auch die nicht so netten Überraschungen wenn man an geöffneten Klotüren (falls vorhanden) vorbeigeht. Chinesen halten es nicht so mit der Privatsphäre und erledigen ihre Geschäfte gerne bei geöffneten Türen. Auch im Wohnheim zu Besuch begegnet man des Öfteren halb entkleidete Chinesen (leider ein nicht zu genießender Anblick) oder darf dem Geschehen live beiwohnen weil die Türe auch dann unverschlossen bleibt, wenn der Chinese bei Ausländern zu Gast ist, unabhängig davon ob Männlein oder Weiblein anwesend sind…

Die fotogeilen Chinesen, die mit den völlig fremden Ausländern ein Selfie schießen wollen. Um dann vor ihren Freunden zu prahlen, sie haben einen Ausländer getroffen. Ohne mit ihm mehr als die Worte: „Kann ich ein Foto mit dir machen?“, wenn überhaupt, gewechselt zu haben. Wer will denn schon fremde Menschen auf seinen Urlaubsfotos haben? Und überhaupt, wer weiß wo diese Fotos landen… Etwas anderes ist das natürlich, wenn man vorher nett ins Gespräch gekommen ist. Da bereue ich es eher regelmäßig, selbst kein Foto gemacht zu haben…

Die armen Kinder, die von ihren Eltern zu mir geschickt werden, um ihre Englischkenntnisse zu zeigen. Die eigentlich viel zu schüchtern sind, um einfach irgendwelche Fremde anzuquatschen. Die unter dem Erwartungsdruck ihrer Eltern dann ein verklemmtes „Hello, nice to meet you!“ herausquetschen. Um dann rat- und hilflos dazustehen während die Eltern den epischen Moment für immer festhalten.

Der chaotische Verkehr. Lebensgefahr auf Schritt und Tritt, und die Angst, dass im Ernstfall keiner hilft. Ungesicherte Baustellen, Mauerbrocken, die wenige cm neben dem eigenen Kopf (an einer nicht gesicherten Baustelle) vorbeisausen. Ein Privatfahrzeug mit 80 Sachen auf völlig vereister Fahrbahn, kein Anschnallgurt. Halsbrecherische Manöver von Taxifahrern (Wenden auf dreispuriger Straße, Überholen, Drängeln, einfädeln… ach nein. Einfädeln gibt es hier nicht. Reindrücken, Schneiden, Ausbremsen, ausgebremst werden.


Wenn ich schon beim Verkehr bin: Die Vergewaltigung von Fahrzeugen aller Art und deren Getriebe und Motoren die würgend, heulend und stotternd die nicht vorhandenen Skills des Fahrers ertragen müssen, Reifen und Stoßdämpfer (Brettern über Bordsteinkanten, Bodenunebenheiten und Schlaglöcher), gewaltsames Abwürgen, unsanftes dauerhaft unmittelbar aufeinanderfolgendes Benutzen von Gas- und Bremspedal, unfachgerechte Ein- und vor allem Auspark-Manöver!

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